2011/08/15

Kamakura Special: Die Schreine von Enoshima Teil 1

Teil 1: Die schöne Benzaiten und der verliebte Drache

Die kleine Insel Enoshima, mit einem Durchmesser von knapp 4 km, befindet sich an der Sagami Bucht der Stadt Fujisawa in der Präfektur Kanagawa. Die Insel liegt in relativ greifbarer Nähe zur Stadt Kamakura und wird mit der Eno-Den (Enoshima Dentetsu) genannten Zuglinie mit dem Bahnhof Kamakura verbunden.
Deswegen ist es auch ideal, bei einem 2-tägigen Aufenthalt in Kamakura einen Abstecher nach Enoshima zu machen (wobei man sich schon zumindest einen halben Tag für die Besichtigung einplanen sollte). 
Bahnhof Enoshima

Nicht nur die vielen Katzen haben Enoshima berühmt gemacht, die kleine Insel, auf der unter anderem auch eine Folge des beliebten Dramas Otoko ha tsurai yo! mit Tora-san gedreht wurde, ist ein Liebesmagnet!
Die meisten Besucher sind entweder junge Familien mit Kindern oder junge Pärchen, was meinen Eindruck von Japan als das "Land der Pärchen und Verliebten" mehrmals bestätigt hat. Sollte man sich alleine oder mit bloßen Freunden hinverirren, kann man nicht einmal in den Pensionistengruppen inkognito gehen - die bestehen ja auch aus mehreren, gealterten Paaren.

Wunschtafeln (auch einsame Herzen sind zu finden)
Im Grunde ist es egal, Enoshima ist es auch wert, alleine besucht zu werden! (Aus psychologischen Gründen für erst kürzlich Sitzengelassene oder anderweitig Liebeskranke würde sich ein verregneter Tag eignen, an dem weniger Pärchen und mehr Pensionisten unterwegs sind).
Das das auch tatsächlich Japanerinnen machen, sieht man an den herzförmigen, pinken Wunschtafeln (ema), die nicht nur homosexuelle Paare, sondern auch Singles diskriminieren. So hält die Tafel jeweils eine Spalte für "Freundin" (kanojo) und "Freund" (kareshi) bereit; Besucher, die sich den Vorgaben der Tafel nicht unterordnen können oder wollen, füllen entweder nur die Spalte kanojo oder kareshi (Singles) aus oder streichen eines durch und ersetzten es durch ein zweites kanojo oder kareshi.
Singles, die nur eine Spalte mit ihren Namen ausfüllen, wünschen sich natürlich den geeigneten Parnter herbei, Pärchen eine gemeinsame und glückliche Zukunft.


Die schöne Göttin Benzaiten und der verliebte Drache

Weswegen Enoshima zum Pilgerort verliebter Paare wurde liegt vielleicht der Geschichte um die schöne Göttin Benzaiten und den in sie verliebten Drachen zu Grunde. 
Bild des 5-köpfigen Drachens als Laterne
Diese Liebesgeschichte wurde im Enoshima Engi (江嶋縁起) im Jahre 1047 von dem japanischen buddhistischen Mönch Kôkei auf Chinesisch niedergeschrieben. 
 Im ersten Teil des Enoshima Engi steht geschrieben, dass ein fünfköpfiger Drache, der in einem See in der Nähe hauste, alle paar Tausend Jahre die Bewohner der Gegend um das heutige Fujisawa terrorisierte, Fluten verursachte und Kinder fraß. Genau am 31. Mai 552 soll die Göttin Benzaiten (弁財天 bzw. 弁才天), selbst die Tochter eines Drachenkönigs, aus dem Meer die Insel Enoshima hervorgezaubert haben und lebte dort in den Höhlen, für die Enoshima ebenfalls bekannt ist. 

  Der Drache verliebte sich in die schöne Göttin der Künste und bat sie, seine Frau zu werden, doch die eloquente Benzaiten lehnte ihn ab, woraufhin der Drache verstand, dass er in der Vergangenheit schlechte Taten begannen hatte. Darauf hin sagte der Drache, dass er allen Anweisungen Benzaitens folgen würde und er verwandelte sich, den Kopf in Richtung Süden nach Enoshima gewandt, in einen Berg, der noch heute den Namen Tatsu no kuchi-yama ( 龍の口山) trägt. 
Letztendlich gab es doch ein Happy End: Nachdem der Drache zahm geworden war, heiratete Benzaiten ihn. 

Benzaiten und der Drache fanden doch noch zueinander

Auch wenn es in der Nähe von Fujisawa keinen See gibt, in dem der Drache gehaust haben könnte, so wird angenommen, dass der aggressive Drache für einen aggressiven Fluss stand, der stets zu schwerwiegenden Überschwemmungen neigte. In der japanischen Mythologie verkörpern Drachen oder Schlangen Flüsse.

In Japan gibt es drei große Schreine, die der Göttin der Reisenden, Benzaiten, gewidmet sind: Der Enoshima Schrein in Kanagawa, der Miyajima (Itsukushima) Schrein in Hiroshima (mit dem berühmten roten torii im Meer) und der Chikubushima Schrein am Biwa-See in Shiga. Alle drei sind von Wasser umgeben.


Hetsu Miya
Dieser Teil der Tempelanlage wurde im Jahr 1206 von dem Shogun Minamoto no Sanetomo errichtet und ist der Göttin Tagitsu-hime-no-mikoto (田寸津比賣命) geweiht, die eine der drei Göttinnen des Munataka-Taisha in Fukuoka, Kyûshû. Der Hetsu Miya (辺津宮) befindet sich im Norden von Enoshima und wurde im Jahr 1675 wiedererrichtet und 1976 renoviert. Da sich der Hetsu Miya auf der niedrigsten Ebene von Enoshima befindet, wird er auch der "untere Schrein" genannt. Der Schrein dient als "Eingang" zur Insel und am leichtesten von allen anderen Schreinen zu erreichen, weswegen hauptsächlich beim Hetsu Miya Besucher zum Gebet kommen.
  "Am leichtesten" zu erreichen bedeutet, dass man nach einigen hundert steilen Stufen endlich hingelangt. Für nicht mehr so fitte Besucher gibt es auf Enoshima freundlicherweise Rolltreppen - natürlich gegen einen Aufpreis. Startet man vom Ground Level kostet es um die 300 Yen, pro 'level up' zahlt man dann immer weniger - bis zu 100 Yen, falls ich mich noch korrekt daran erinnere.


Hetsu Miya geschmückt für Tanabata, das Fest der Liebenden
Links vom Hetsu Miya befindet sich die Hô-an-den (奉安殿) genannte Halle, in der heilige Objekte aufbewahrt werden. Die Architektur des Hô-an-den stellt archetektonisch eine verkleinerte Version des Yumedono aus dem Horyu-ji in Nara dar.
Der Ho-an-den, der auf den ersten Blick womöglich ein wenig unscheinbar wirkt und von den meisten Besuchern wohl im Vorbeigehen rasch abfotografiert wird, beherbergt in seinem Inneren etwas besonderes - nämlich eine Statue der Göttin Benzaiten.
Eine andere Statue der Benzaiten
Nein, nicht irgendeine Statue, eine spezielle. Die Statue der schönen Göttin ist 54 cm hoch und sie spielt mit halb gekreutzen Beinen eine Laute, weswegen sie auch Myô-on-Ten (妙音天, Benten der schönen Töne) genannt wird und wird von Musikern, Kabuki-Schauspielern und anderen Künstlern verehrt. Und von vielen Männern.
Denn das Besondere der Laute spielenden Benten-Statue ist nicht nur die milchfarbene Oberfläche, sondern, dass die Göttin komplett nackt ist. Als Erklärung dafür, könnte auf den milchweißen Stein hingewiesen werden, da Tücher abfärben würden. So sitzt sie halb im Schneidersitz, nur mit ihrer Laute und ist sehr realistisch und detailverliebt (bis hin zu den weiblichen Genitalien) gearbeitet sein. 
Es gibt noch eine zweite Benten-Statue, die acht Arme hat und 59 cm hoch ist. In ihren unzähligen Armen hält sie Schwert, Bogen und hôju (宝珠, eine buddhistische "Schatzkugel" in der Form eines Pfirischs).

Hô-an-den in Enoshima
In der Edo-Zeit war es den Besuchern  nicht gestattet, die Statuen der Benten zu sehen, jedoch wurde sie alle sechs Jahre - im Jahr der Schlange und des Schweins - ausgestellt und Enoshima verzeichnete zu diesen Zeiten regen Besucherandrang. Da die Göttin Benten eigentlich zum Buddhismus zählt, wurde die Statue nach der Meiji Restauration 1868 im Zuge der Anti-Buddhistischen-Bewegung unliebsam in einer Ecke des Nakatsu miya verstaut und die Kinder der Umgebung spielten mit ihr. In dieser Zeit gingen auch Teile der Statue verloren und wurden erneuert.
Mittlerweile ist es den Besuchern jedoch möglich, die Statue der  nackten sowie auch der achtarmigen Benten im Hô-an-den zwischen 9:00 und 16:30 gegen eine Gebühr von 200 Yen zu bewundern.
 
Nakatsu Miya
Der Nakatsu Miya (中津宮) wurde von dem buddhistischen Mönch En-nin (bzw. Jikaku Daishi) im Jahre 853 errichtet. Die Gottheit Benzaiten wurde zunächst in einer Höhle verehert, jedoch wurde die Höhle oft von Wellen überschwemmt, so dass für die Verehrung der Göttin der Nakatsu Miya erbaut wurde. Er zählt zu ältesten der drei Schreine, die übergreifend "Enoshima Schrein" genannt werden und in denen die Verschmelzung des Shintoismus und Buddhismus gut gelang. (Schließlich spricht man vom Enoshima Schrein, in dem jedoch auch die buddhistische Göttin Benzaiten verehrt wird)
Im Nakatsu Miya wird auch die Göttin Ichikishima-hime-no-mikoto (市寸島比賣命), eine der drei Göttinnen des Munataka Taisha in Fukuoka, verehrt. 
In der Edo-Zeit wurden Steinlaternen an den Schrein von bekannten Kabuki-Schauspielern , Händlern und Bauern gespendet. Der Nakatsu Miya befindet sich "in der Mitte" der Insel und wird daher auch "mittlerer Schrein" genannt. Im Jahr 1689 wurde er renoviert und erhielt im Jahr 1996 den hellen, zinnoberroten Anstrich.
Nakatsu-miya in Enoshima


Okutsu Miya
Der Okutsu Miya (奥津宮) ist der letzte der drei Schreine, die gemeinsam den Enoshima Schrein bilden und befindet sich im "hinteren Teil" der Insel, weswegen der Okutsu Miya auch der "oberste" bzw. "hinterste" Schrein genannt wird. In ihm wird die Göttin Tagiri-hime-no-mikoto ( 多紀理比賣命) verehrt, die Beschützerin des Meeres, und somit ist das Göttinnen-Trio des Munataka-Taisha komplett. Einer Legende nach verbringt die Göttin die meiste Zeit in einer der Höhlen Enoshimas und lebt nur vom ersten Tag der Schlage im April bis zum ersten Tag des Schweins im Oktober (nach dem Mondkalender) im Okutsu Miya. 

Der Okutsu Miya in Enoshima
Der prächtige Schrein ging in einem Feuer im Jahr 1841 verloren und in den folgenden 13 Jahren wurde zwar der Wiederaufbau durchgeführt, doch das Gebäude mit dem Fußwalmdach (入母屋, irimoya) - ein nach allen vier Seiten abfallendes Dach - wurde erst 1979 wiederhergestellt und ist eine Besonderheit des Okutsu Miya. 

Schildkröte aus Stein verziert einen temizuya (手水舎, Schrein- oder Tempelbrunnen am Eingang zum Reinigen von Hände und Mund)
 Das Stein-torii wurde im Jahr 1182 durch den Begründer des Kamakura-Shôgunats, Minamoto-no-Yoritomo, errichtet und die Malereien in der Edo-Zeit von dem Künstler Sakai Hôitsu hinzugefügt. Die bekannteste Malerei Sakai Hôitsus ist das Bild einer Schildkröte in der Mitte des Plafonds des Okutsu Miya - die "Schildkröte, die in acht Richtungen blickt". Eine optische Täuschung lässt den Besucher glauben, von den Augen des Schildplattlers verfolgt zu werden. Schildkröten aus Stein oder Fleisch und Blut findet man überall in Enoshima.


Weitere Bilder:

Tanabata in Enoshima: Bambus geschmückt mit tanzaku (短冊), auf den bunten Papierstreifen werden Wünsche aufgeschrieben (vor dem Hetsu Miya)
"Weg mit AKWs" lautet einer der Wünsche
O-mikuji bei dem Nakatsu Miya
Stein-torii vor dem Okutsu Miya



Weiterführende Links:
Offizielle Homepage des Enoshima Schreins (Japanisch)
Offizielle Homepage der Stadt Fujiwara mit Enoshima Reiseführer (Englisch)
A Study of the Enoshima Engi von Robert A. Duhl, PhD (Englisch)
Ausführlicher Bericht über den Enoshima Jinja Shrine auf asahi-net (Englisch)
Eintrag über Enoshima und die Schreine von Guillaume Erard (Englisch)


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