2011/11/27

Takao-san: Unter den Schwingen des Tengu

Roter Ahorn, geflügelte Bergdämonen und ein Blick auf den Fuji-san

Der nur 599 m hohe Hausberg vor den Toren Tôkyôs wird Takao-san (高尾山、"Hoher Schwanz-Berg" ;P) genannt und bietet für Großstädter ein ideales Naherholungsgebiet, da man dank Keiô oder Chûô Linie von Tôkyôs Stadtzentrum aus nur eine Stunde benötigt. Immerhin ist er nur 50 km vom Stadtzentrum entfernt.
Zum Berg Takao gehört auch der Meiji no Mori Takao Quasi National Park (bzw. Meiji Memorial Forest Takao Quasi National Park; jap: 明治の森高尾国定公園, Meiji no Mori Takao kokutei kôen), welcher ein Gebiet von 7.77 km² umfasst, der kleinste Quasi-National Park ist und 1967 von der jap. Regierung ins Leben gerufen wurde.

Der japanische Wetterdienst Weathernews.jp bietet online eine "Herbstlaubfärbungs-Vorschau" (auf jap. westentlich kürzer mit 紅葉情報, kôyô-jôhô) an, bei der man den Status der Herbstlaubfärbung an verschiedenen Orten Japans abrufen kann. Jetzt ist beim Takao-san angeschrieben, dass es die beste Zeit ist, das Herbstlaub zu betrachten (見頃, migoro) - und es war nicht gelogen!
Bereits am Fuße des Berges erstrahlt der japanische Ahorn
Obwohl der Takao-san relativ niedrig ist, bietet er doch eine tolle Aussicht auf Tôkyô, Yokohama und den Fuji-san. Es gibt eine Gondel und einen Sessellift, so dass man mit beinaher jeder Kondition den Gipfel erstürmen kann. Insgesamt gibt es 7 Routen (alle durchnummeriert bis 6 plus den Inari-san Course) auf denen man für jeden Schwierigkeitsgrad sein individuelles Bergerlebnis durchlaufen kann. Mein erster Besuch auf dem Takao-san war vor 3 Jahren im November, damals wählte ich Route 6, die eigentlich einen relativ hohen Schwierigkeitsgrad hat und nur noch von dem Inari-san Course übertroffen wird.

Obwohl die Blätter bereits abgefallen sind, blüht noch die Jûgatsu Zakura, eine Kirschblütenart, die sich auf den Herbst spezialisiert hat :D

Naturgewalt
Route 1 ist wohl die beste für einen ersten Besuch auf dem Takao-san. Die ersten 1,5 km sind nicht lustig und es gibt auch nichts besonderes zu sehen (außer einem riesigen Baumstamm, der einen Strommasten umgerissen hatte). Die ersten 40 min. geht man auf einer extrem steilen und betonierten Straße hinauf, bis man zur Sessellift-Station kommt.
 Ab da gibt es dann bereits auch Souvenierläden, ein paar Meter weiter folgt die Gondel-Station, bei der es Restaurants, Souviniertstände und eine Aussichtsplattform auf Tôkyô und Yokohama gibt (letztere gibt's eigentlich auch schon beim Sessellift).

Ausblick auf Tôkyô
Nach 15 Minuten gelangt man zum  Takao-san Yakuô-in Yûki-ji (高尾山薬王院有喜寺, kurz Yakuô-in, 薬王院),  einem buddhistischen Tempel, der heute der Shingon-Sekte (真言宗) des Mönchs Kûkai (空海, bzw. Kôbô Daishi, 弘法大師) angehört.
Ausblick auf Yokohama

Der Yakuô-in ist der Grund, weswegen ich bei einem Erst-Besuch des Takao-sans die Route 1 empfehle. Natürlich kann man auch beim Abstieg über Route 1 gehen, aber am frühen Morgen, wenn noch nicht so viel los ist (also vor 10 bzw. 11 Uhr Vormittags) ist es noch angenehm - vor allem bei guter und milder Wetterlage. :D


Der Yakuô-in Tempel am Berg Takao
Nun zum Takao-san Yakuô-in Yûki-ji. Ein langer Name, der etwas besonderes ausdrückt. Der Yakuô-in Tempel gehört zu der Chizan-ha Schule (智山派) der buddhistischen Shingon-Sekte. Er ist einer der Daihonzan Tempel (三大本山, "drei große Haupttempel") dieser Sekte; die beiden anderen sind der  Narita-san Shinshô-ji (成田山新勝寺, Präfektur Chiba, Narita Stadt) und der  Kawasaki Daishi Heiken-ji (川崎大師平間寺, Präfektur Kanagawa, Kawasaki Stadt; ein Eintrag darüber dessen Windspiele befindet sich hier).

Der Yakuô-in Tempel am Berg Takao
Stempel (goshûin) vom Yakuô-in Tempel
Der Yakuô-in wurde im Jahre 744 n.Chr. im Auftrag des Shômu Tennôs (聖武天皇, 701-756) errichtet und ist dem Buddha der Medizin, dem Yakushi Nyorai (薬師如来) geweiht, von dem auch der Name des Tempels abgeleitet wurde. In der Nara-Zeit wurde eine Reihe von wichtigen Bauwerken errichtet und der Erbauer des Yakuô-ins, Gyôki Bosatsu (行基菩薩, 668–749) errichtete ebenso die Halle des Großen Buddhas des Todai-ji (東大寺, ) in Nara sowie 60 Kokubun-ji (国分寺) Tempel - je einen für jede Präfektur des alten Japans.


Im Jahr 1375 kam von dem Berg Daigo in Kyôto der Mönch Shungen Daitoku (俊源大徳) auf den Takao-san und verbrannte dort als Opfer tausend Holzstäbchen im Rahmen einer Feuer-Zeremonie (護摩供養秘法, goma kuyô hihô).

Der Yakuô-in am Berg Takao
 Das Feuer (護摩, goma) dient der Aufrufung einer buddhistischen Gottheit und Shungen Daitoku erschien die Gottheit Izuna Daigongen (飯縄大権現), welche seitdem im Yakuô-in Tempel wohnt. Der wütend dreinblickende Izuna Daigongen ist eine Erscheinungsform des Fudô Myô-ô (不動明王), dem Gott des Feuers. (Er kommt auch in diesem Eintrag zum Takahata-fudo-son vor) Der Izuna Daigongen bringt den Menschen Seelenheil.

Tengu-Statuen im Yakuô-in Tempel

Zur Zeit der kämpfenden Provinzen (戦国時代, sengoku jidai, 1467–1573) kamen viele mächtige Krieger wie Takeda Shingen (武田 信玄, 1521-1573) oder Uesugi Kenshin (上杉 謙信, 1530-1578) um den Izuna Daigongen um seinen Schutz zu bitten. Die Hôjô Familie (北条家), die zu dieser Zeit über die Kantô-Region herrschte, war ein großer Anhänger des Izuna Daigongen und der Berg Takao stand unter ihrem Schutz (unter anderem, da er natürlich einen strategischen Vorteil in diesen kriegerischen Zeiten darbot). In der Edo-Zeit (江戸時代, edo jidai, 1603–1868) stand der Yakuô-in Tempel unter der Schirmherrschaft der regierenden Tokugawa Familie (徳川家).

Herbstlaubfärbung
Im Jahr 1504 und 1677 zerstörten Feuer Teile des Tempels, vor allem die Yakushidô (Halle des Yakushi Nyorai) wurde arg in Mitleidenschaft gezogen. Ein Taifun brachte im Jahr 1717 eine Stupa und die fünfstöckige Pagode des Tempels zu Fall. 1929 zerstörte erneut ein Feuer weitere Teile des Tempels (Gästehalle, Studierzimmer und Küche). 

Eine 450 Jahre alte jap. Zeder, deren Wurzel die Form eines Oktopus hat
Trotz all dieser Zerstörungen blieben über 2.500 Dokumente, die von dem jap. Mittelalter an stammen, erhalten und werden noch heute im Yakuô-in aufbewahrt. Diese Dokumente enthalten auch wichtige Aufzeichnung über die Zeit der kämpfenden Provinzen und die Edo Zeit (江戸時代, edo jidai, 1603–1868).

Eingang des Yakuô-in Tempels: Babys werden einfach huckepack getragen!

Geflügelte Bergdämonen am Takao-san
Am Berg Takao, dem Hausberg der Großstadt Tôkyôs, leben auch heute noch seltsame Gestalten. Geflügelte Bergdämonen hausen in den dichten Wäldern des Berges und vielleicht kann man sie mit etwas Glück erspähen - es sind zwar Berg"dämonen", aber der Tengu (天狗, wörtl. "Himmelshund") ist eigentlich ein ganz ein gutes Kerlchen.

Tengu-Maske beim Yakuô-in Tempel
 Er hat eine irrsinnig lange Nase, die ganz alten Tengus von früher haben anstatt einer menschlichen Nase den Schnabel einer Krähe (からす天狗, karasu tengu). Die ersten Europäer, die nach Japan kamen, wurden wegen ihrer "langen" Nasen ebenfalls Tengu geschimpft genannt. Sie - die Tengu, nicht die Europäer! - haben Flügel und tragen meistens die Kleidung eines Yamabushi-Bergaskesen und eine lustige Kopfbedeckung, die sich tokin (頭巾, 兜巾 oder 頭襟) nennt. Ursprünglich ähnelten die Tengu mehr Krähen, aber mittlerweile sind sie ziemlich menschenähnlich geworden, aber schlüpfen noch immer aus Eiern. Ihre Haut ist rot (menschenähnlich) oder grün (krähenähnlich), sie leben in kleinen Gruppen zusammen, sind schüchtern und tragen immer einen japanischen Fächer bei sich.

Maske eines Krähen-Tengus beim Yakuô-in Tempel

Achtung Tengu!
 Tengu mögen die Wälder in den Bergen, und auch der Berg Takao hat schöne tolle Wälder. Für all jene Unglückseligen, denen es nicht gelingt, einen Blick auf einen echten Tengu zu erhaschen, sei geholfen. Der Yakuô-in Tempel am Berg Takao ist den Tengu gewidmet und dort findet man sie in vielen Varianten. Statuen, Süßigkeiten, Pappmachéfiguren, Anhänger, Bilder etc. etc.

Die Tengu agieren als Botschafter bzw. Vermittler zwischen den Gottheiten und Buddhas und den Menschen. Sie befreien die Menschen vom Unglück und bringen ihnen stattdessen einen gehörige Portion Glück. Der König der Tengus nennt sich Sôjôbô (僧正坊) und lebt nicht auf dem Berg Takao, sondern auf dem Berg Kurama im Norden Kyôtos. Er soll so stark sein, dass er es locker mit tausend herkömmlichen Tengus aufnehmen könnte. Aber nett ist er auch, denn er soll Minamoto no Yoshitsune (源 義経, 1159-1189) in die Künste des Schwertkampfes eingeführt haben.

Der kleine Krähen-Tengu muss noch üben...

Vor der Izuna Gongen-dô Halle stehen zwei Tengu-Statuen. Die kleinere Statue zeigt einen Krähen-Tengu, der sich noch im religiösen Training befindet, während der größere menschenähnliche Tengu bereits ein erfahrener Yamabushi (Bergaskese) ist und bereits spirituelle Macht durch sein religiöses Training am Berg Takao erhalten hat. 
Kurz gesagt: Tengu sind cool! Und eigentlich ist es ja ein riesiges Kompliment, dass die Japaner uns Europäer mit dem Spitznamen "Tengu" geteert geehrt haben! Immerhin! Übermenschliche Wesen und Boten der Götter. *räusper*
...während der große Tengu bereits ausgelernt und meisterhaft ist.

Am Gipfel angekommen
Lässt man den Yakuô-in Tempel mit seinen Tengus hinter sich, so kommt man nach einer Weile auch schon am Gipfel des Takao-san an und schwebt in schwindeligen Höhen von 599 Metern. Das ist nicht viel, aber da sich die Metropolregion Tôkyô sogut wie ex aequo mit dem Meeresspiegel befindet, kann man eine gute Aussicht genießen. Bei gutem Wetter, eine Aussicht auf den Fuji-san.

Hinter hügeligem Land und Wölkchen versteckt sich der Fuji
Ganz oben am Gipfel kann man auch Rasten oder Oden essen, was ich nicht empfehlen würde, da ich Oden nicht mag. XD Es haben sich wirklich viele Leute versammelt, obwohl wir an einem Freitag Vormittag losgegangen sind und Punkt 12 Uhr am Gipfel pausieren konnten. Das nächste mal werden wir 2-3 Stunden früher los gehen, so dass wir gegen spätestens halb 10 Uhr am Gipfel ankommen. So früh am Morgen hat man noch eine klare Sicht auf den Nationalberg Japans - den Fuji. :P

In der Großaufnahme: Fuji-san
Der Abstieg vom Berg Takao ist natürlich wieder über die Route 1 zu empfehlen (zB Route 6 ist eine Einbahnstraße), man sollte sich halt bei den Süßigkeiten und Speisen zurückhalten und wenn man gar erschöpft ist kann man ja mit Gondel oder Sessellift die Heimreise antreten. 

Weitere Bilder zum Genießen:

Fuji-san
Auf dem Heimweg: Fuji-san, davor der Tama-gawa
Ausblick in die Ferne
Yakuô-in Tempel am Takao-san
Yakuô-in Tempel am Takao-san
Kiefern
Schuhe der Tengu
Inari (Fuchsgottheit) Schrein
Alle meine Füchslein, heben's Pfoterl hoch~~
Herbstlaubfärbung
Roter Ahorn
Auch die Ginko-Bäume geben sich dem herbstlichen Farbenspiel hin :D
Wie lange diese Beiden wohl schon miteinander verbandelt sind? <3
Den kleinen Putzteufel würd ich gern mal nach Hause einladen :P
Sanfte Bergkuppen
Gelber Ahorn in all seinen Lebensstadien
Was auch immer das für Trauben sind?!
Wieder einmal Ahorn
Und schon wieder
und wieder
Schnell mal was anderes
Schrei-Goshi
Eis aus Weintrauben-Essig! Lecker!
Viel Wald
Dango mit der Metropolregion Tôkyô im Hintergrund
Beinahe nahtloser Übergang von Grün zu Rot
Nur noch ein paar Momiji-Bilder
Ich stell ja eh nicht alle 400+ Bilder online :P
Sondern nur die Schönsten <3
Das ist doch auch toll, oder? :D
Noch ein Fieses zum Abschluss, dann wäre alles gezeigt! >:D
Weiterführende Links:

2 Kommentare:

  1. wieder mal wahnsinnig schöne Fotos!!
    musst mich nächstes mal wirklich 1auch dahinschleppen!! *______*

    Claudia

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  2. danke danke ^^
    das nächste mal bist dabei! wäre ja eigentlich schon fürs letzte mal geplant gewesen T_T

    aber du musst im winter kommen, sonst is alles dunstig und man sieht nix mehr. O.o

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